Samstag, 14. Juli 2012

2.11 Welchen Grund haben die niedrigen Geburtenraten?


von Fjordman
Was verursacht die niedrigen Geburtenraten? Diese Frage habe ich ausgiebig mit dem Blogger "Conservative Swede" debattiert. Unter den meist genannten Gründen finden sich der Wohlfahrtsstaat, Feminismus und Säkularismus. Wenn sich allerdings die Statistiken verschiedenster Länder ansieht wird die Sache weitaus komplexer und es scheint keine automatische Korrelation zwischen diesen Faktoren und dem Geburtenrückgang zu bestehen.

Die Vereinigten Staaten haben die höchste Geburtenrate im Westen, aber das ist in erster Linie auf die ethnischen Minderheiten zurückzuführen. Wenn man weiße Amerikaner mit weißen Europäern vergleicht, so ist die US-Geburtenrate etwas höher als die der Skandinavischen "Nanny-Staaten", aber liegt dennoch unter der Sterberate. Skandinavische Länder wie Norwegen und Schweden sind durchaus von ausgeklügelten Wohlfahrtsstaatssystemen, einem hohen Grad an Feminismus und mangelnder Religiosität betroffen, haben aber dennoch vergleichsmäßig hohe Geburtenraten (die trotzdem auch hier nicht ausreichend sind).  Sie sind mit Sicherheit höher als im katholischen Polen, dem vielleicht konservativ-religiösesten Land Europas. Auch übertreffen sie die von Südkorea, wo traditionellere Geschlechterrollen vorherrschen und das Christentum heutzutage einen Aufschwung erfährt.

Die Kluft zwischen den Geburten der westlichen und der islamischen Welt wird eindeutig von religiösen Faktoren erwirkt, doch die Unterschiede unter industrialisierten Nationen sind weitaus schwieriger zu erklären. Wenn die Ursache weder Wohlfahrtsstaat, noch Feminismus oder Säkularismus die Ursache ist, was ist es dann?

Die Schaffung der Mütter: Können wir den Drang zur Fortpflanzung antreiben? Kanada hat ein Baby-Defizit. Würden finanzielle Anreize helfen?
Ist es nicht eigenartig? Gerade jetzt wo die "Mama-Industrie" boomt, scheint es, als könnten wir dem "Baby-Bust" nicht entkommen. Kanadas Fertilitätsrate befindet sich seit Jahrzehnten im freien Fall. In den letzten Jahren hat sie jedoch den absoluten Tiefstand von grob 1,5 Kindern pro Frau erreicht. (Wir bräuchten mindestens einen Wert von 2,1 um unsere Bevölkerung aufrecht zu erhalten.) Sozialanalytiker führen diesen Rückgang auf ein Wirrwarr aus weiblicher Bildung, Finanzhoheit, Säkularisierung, Verhütung, "Sex and the City", einem erhöhten Drang nach persönlicher Freiheit und zunehmender Verunsicherung darüber, ob man ein Kind in einer Welt geplagt von Terrorismus, Erderwärmung und Lindsay Lohan großziehen will, zurück. In einer hyper-individualistischen, ultra-kommerzialisierten Kultur wie unserer ist die Mutterschaft weniger ein fixer Meilenstein des Lebens als einfach nur eine weitere Lifestyle-Entscheidung.

Überall in der ersten Welt offenbart das gleiche Muster. Russland, Großbritannien, Irland, Australien, Spanien, Italien und duzende andere Länder kämpfen mit Geburtenraten, die deutlich unter der Sterberate liegen. Vierzig Prozent der weiblichen Universitätsabsolventen in Deutschland sind kinderlos. In Japan, wo die Rate auf ein Rekordtief von 1,26 gesunken ist, geben Familiengründungs-Initiativen dem Internet die Schuld; sie kritisieren, dass Frauen und Männer zu viel Zeit online verschwenden, anstatt Sex zu haben.

Kinder wertlos machen: Der Beitrag des Sozialversicherungssystems zur Fertilitätskrise
Heutzutage verstehen viele Leute gar nicht mehr, warum irgendjemand Kinder kriegt um fürs Alter vorzusorgen. Natürlich denken sie, dass Leute deshalb Kinder kriegen, weil sie sie gern haben. Dennoch hören sie oft genug, dass Leute gerne mehr Kinder hätten, sie sich aber einfach nicht leisten können. Hinzu kommt, dass sich Menschen in weniger fortschrittlichen Nationen scheinbar problemlos Großfamilien leisten können, obwohl ihr Einkommen kaum ans Existenzminimum rankommt.

Worauf sind diese scheinbar widersprüchlichen Beobachten zurückzuführen? Ganz einfach: auf die Tatsache, dass in der Abwesenheit eines Sozialversicherungssystems der weitere Familienkreis einen inoffiziellen Sozialversicherungs-Mechanismus darstellt, in welchem das Kinderkriegen ökonomische Vorteile mit sich bringt.

Natürlich sind Sozialversicherungen nicht der einzige Grund für den Geburtenrückgang. Beispielsweise untergräbt der Wohlfahrtsstaat die Familie auch auf viele weitere Arten, wie etwa durch verpflichtende öffentliche Erziehung, die die Treue zur Familie durch Gefolgschaft zum Staat ersetzt. Ferner wird durch das Aufkommen weiterer Altersvorsorge-Alternativen der Vorsorgefaktor des Kinderkriegens geschwächt.

Sehen wir uns die Unstimmigkeiten zwischen den fortschrittlichen Staaten des Westens näher an. Unter diese Ländern gibt es kaum Unterschiede bezüglich Kindersterblichkeitsraten, weiblicher Beteiligung an der Erwerbsbevölkerung und anderen Standarderklärungen für den Fertilitätsrückgang. Dennoch weisen die Raten auf deutliche Abweichungen auf — und sie korrelieren mit der Theorie der Sozialversicherungssysteme.  In den Vereinigten Staaten herrscht eine Geburtenrate von 2.09, während sie in der EU im Durchschnitt bei 1,47 liegt.

Auch innerhalb Europas, wo Sozialleistungen gefährlich großzügig ausfallen, gibt es Unterschiede zwischen den Ländern. Einige der großzügigsten Modelle finden sich in Deutschland, Frankreich und den mediterranen Ländern — genau wie die niedrigsten Fertilitätsraten der Region. Es mag überraschend wirken, so eine Situation gerade in den Ländern vorzufinden, welche einst Familien-orientiert und streng katholisch waren. Doch ökonomische Anreize formen das Verhalten der Menschen, und ihr Verhalten formt die Kultur...
Die beste Lösung ist gleichzeitig die simpelste: Räumt den Staat aus dem Weg.


Tod durch Säkularismus: Einige statistische Beweise
Unfruchtbarkeit rottet die säkulare Welt aus, das hat ein Vielzahl an Schriftstellern beobachtet, so auch Philip Longman, dessen Werk "The Empty Cradle" ich letztes Jahr rezensiert habe. Für die ehemalige Sowjetunion, wo Generationen lang der Atheismus herrschte, sagen die Vereinten Nationen einen extremen Bevölkerungsrückgang bis 2050 voraus, welcher von 22% in der russischen Föderation bis zu fast 50% in der Ukraine reicht. Das säkulare Westeuropa wird 4-12% seiner Bevölkerung verlieren, während die der frommen Amerikaner kontinuierlich wachsen wird. Tragt der Säkularismus die Schuld? Die Zahlen geben dieser Theorie nicht unrecht.

Wie ich früher schon sagte, kann die Menschheit den Schrecken der Sterblichkeit ohne das Versprechen auf Unsterblichkeit nicht aufrechterhalten. In der Abwesenheit von Religion versinkt die menschliche Gesellschaft in einer depressiven Starre. Die Säkulargesellschaft ist daher ein Oxymoron, da der Tod des Glaubens schnell genug zu dem Tod Gesellschaft selbst führt.

Warum Europa sein Aussterben gewählt hat
Demografie ist Schicksal. Seit Beginn der Geschichtsschreibung haben sich florierende und friedvolle Nationen nie dafür entschieden von der Erdoberfläche zu verschwinden. Und doch ist es genau das, was Europäer als ihr Schicksal gewählt haben. Im Jahre 1348 litt Europa unter dem "Schwarzen Tod", einer Kombination aus der Beulenpest und vermutlich einer Art Rinderwahn, stellt Ben Wattenberg, ein Gelehrter des American Enterprise Institute, fest. "Die Pest dezimierte die geschätzte Bevölkerung Europas um etwa ein Drittel. In den nächsten 50 Jahren wird Europa — in Zeitlupe — diese Pest-Demografie erneut erleben, es wird etwa ein Fünftel seiner Bevölkerung bis 2050 verlieren und noch weitaus mehr Lauf der folgenden Jahrzehnte."

Bringt diese alte Religion zurück
Säkularismus fördert eine eher kurzfristige und hedonistische Haltung gegenüber dem Leben. Da säkulare Menschen kaum bis gar keinen Glauben an Gott oder ein Leben nach dem Tod haben, tendieren sie dazu die "Iss, trink, sei fröhlich, denn morgen sterben wir"-Attitüde anzunehmen. Natürlich trifft das nicht auf alle von ihnen zu, aber im Allgemeinen begünstigt der Säkularismus solch ein Verhalten.

Ihr Zeithorizont ist auf ihr eigenes Leben auf Erden begrenzt. Religiöse Menschen denken hingegen langfristiger. Ihre Augen sind auf die Ewigkeit gerichtet. In Europa trifft man viele Kathedralen an, deren Bau mehrere Jahrhunderte in Anspruch nahm. Beispielsweise dauerte die Fertigstellung des Kölner Doms über 300 Jahre.

Warum starteten die mittelalterlichen Christen ein Projekt, dessen Vollendung keiner von ihnen erleben würde? Die Antwort ist simpel: Sie schauten Richtung Jenseits. Ihr Wunsch war es, Gott zufriedenzustellen und in den Himmel zu kommen. Man sagt, dass Glaube Berge versetzen kann. Hier wurde wortwörtlich ein Berg aus Steinen versetzt um die großartigen Kathedralen Europas zu erschaffen.

Aber was ist mit den säkularen Menschen im nun post-christlichen Europa? Wie sehen die ökonomischen Konsequenzen für Leute aus, deren Zeitrahmen nur bis ans Ende ihres Leben reicht?
Erstens wollen sie im Allgemeinen ihr Leben bis zum Anschlag genießen. Für einige könnte das einen frühen Ruhestand bedeuten, und damit auch einen Verlust noch-arbeitsfähiger Erwerbstätiger für die Wirtschaft. Für andere könnte es sich dadurch äußern, dass sie weniger oder gar keine Kinder zu kriegen, da diese Verantwortung und eine Belastung ihrer Finanzen bedeuten, welche sie doch viel lieber zu ihrem eigenen Wohl nutzen. Statistiken aus den USA zeigen, dass regelmäßige Kirchengänger mehr Kinder haben als Leute, die nur selten eine Kirche betreten.

Es stellt sich also die Frage: Stellen wir Ansprüche an Individuen und schränken möglicherweise ihre persönliche Freiheit ein, um die Fortpflanzung anzukurbeln, führen wir neue Anreize ein oder investieren wir lieber Milliarden in die Entwicklung künstlicher Mutterleibe und beauftragen eine neue Bevölkerungsindustrie mit der Kindererziehung? Sollten wir vielleicht zu Verhältnissen und Werten der dritten Welt zurückkehren, um Fertilitätsraten zu erhöhen?

Das Hauptproblem sind die berufstätigen Frauen. Ich habe eigentlich nichts dagegen. Im Gegenteil, ich bin total dafür. Die Sache ist die, dass es viele Frauen gibt, die gerne Kinder hätten aber es ihnen nicht möglich ist, da diese ihr Einkommen reduzieren würden, ohne den gleichen Effekt auf die Ausgaben zu haben, was heute zunehmend die Folge von Steuern und Zinszahlungen ist. Also arbeiten sie weiter und vertrösten sich darauf, auch zu einem späteren Zeitpunkt noch Kinder kriegen zu können, ohne zu begreifen, dass die Statistiken für Fruchtbarkeit ab einem Alter von 30 bestenfalls düster aussehen.

Ich persönlich denke, dass sich der folgende Anreiz als erfolgreich erweisen würde:
Der Staat investiert in / kauft / baut  eine Anzahl an X Wohneinheiten (für Familien mit 3 Kindern konzipiert). Alle verheirateten Paare mit drei Kindern erhalten ein Vorrecht auf eine dieser Wohneinheiten, sobald das dritte Kind geboren wurde. Sie haben das Recht dort zu leben bis ihr jüngstes Kind volljährig ist. Im Falle einer Trennung verfällt ihr Wohnrecht und sie werden gezwungen auszuziehen. Das würde gleichzeitig die Familie stärken und die Leute ermutigen, mehr als 2 Kinder zu bekommen. Auch der finanzielle Druck, der auf einer Vollzeit-arbeitstätigen Mutter von 3 Kindern lastet, würde damit so gut wie aufgehoben werden. Die Wohneinheiten sollten attraktiver als der Durchschnitt sein und könnten auch gratis Kindergärten im Erdgeschoss enthalten. Falls nötig können auch weitere Anreize hinzugefügt werden, bis wir eine durchschnittliche Geburtenrate von 2,1 oder gar 2,5 erreichen. Selbstverständlich würde ein solches Projekt visionäre Führer voraussetzen, an welchen es im heutigen Westeuropa stark mangelt.

Die oben genannte Lösung ist nicht perfekt, aber immerhin eine simple und effektive Methode, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Geburtenrate eines Landes beträchtlich erhöhen und die Familie stärken würde. Allerdings würde sich eine solche Methode als zu effektiv erweisen und dadurch auch die heutige Rechtfertigung des Multikulturalismus ("Wir brauchen mehr Muslime um unsere alternden Bevölkerungen zu ersetzen") aufheben.


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