von Fjordman
Was verursacht die niedrigen Geburtenraten? Diese Frage
habe ich ausgiebig mit dem Blogger "Conservative Swede" debattiert.
Unter den meist genannten Gründen finden sich der Wohlfahrtsstaat, Feminismus
und Säkularismus. Wenn sich allerdings die Statistiken verschiedenster Länder
ansieht wird die Sache weitaus komplexer und es scheint keine automatische
Korrelation zwischen diesen Faktoren und dem Geburtenrückgang zu bestehen.
Die Vereinigten Staaten haben die höchste Geburtenrate im
Westen, aber das ist in erster Linie auf die ethnischen Minderheiten
zurückzuführen. Wenn man weiße Amerikaner mit weißen Europäern vergleicht, so
ist die US-Geburtenrate etwas höher als die der Skandinavischen
"Nanny-Staaten", aber liegt dennoch unter der Sterberate. Skandinavische
Länder wie Norwegen und Schweden sind durchaus von ausgeklügelten
Wohlfahrtsstaatssystemen, einem hohen Grad an Feminismus und mangelnder
Religiosität betroffen, haben aber dennoch vergleichsmäßig hohe Geburtenraten
(die trotzdem auch hier nicht ausreichend sind). Sie sind mit Sicherheit höher als im
katholischen Polen, dem vielleicht konservativ-religiösesten Land Europas. Auch
übertreffen sie die von Südkorea, wo traditionellere Geschlechterrollen
vorherrschen und das Christentum heutzutage einen Aufschwung erfährt.
Die Kluft zwischen den Geburten der westlichen und der
islamischen Welt wird eindeutig von religiösen Faktoren erwirkt, doch die
Unterschiede unter industrialisierten Nationen sind weitaus schwieriger zu
erklären. Wenn die Ursache weder Wohlfahrtsstaat, noch Feminismus oder
Säkularismus die Ursache ist, was ist es dann?
Die
Schaffung der Mütter: Können wir den Drang zur Fortpflanzung antreiben? Kanada
hat ein Baby-Defizit. Würden finanzielle Anreize helfen?
Ist es nicht eigenartig?
Gerade jetzt wo die "Mama-Industrie" boomt, scheint es, als könnten
wir dem "Baby-Bust" nicht entkommen. Kanadas Fertilitätsrate befindet
sich seit Jahrzehnten im freien Fall. In den letzten Jahren hat sie jedoch den
absoluten Tiefstand von grob 1,5 Kindern pro Frau erreicht. (Wir bräuchten
mindestens einen Wert von 2,1 um unsere Bevölkerung aufrecht zu erhalten.) Sozialanalytiker
führen diesen Rückgang auf ein Wirrwarr aus weiblicher Bildung, Finanzhoheit,
Säkularisierung, Verhütung, "Sex and the City", einem erhöhten Drang
nach persönlicher Freiheit und zunehmender Verunsicherung darüber, ob man ein
Kind in einer Welt geplagt von Terrorismus, Erderwärmung und Lindsay Lohan
großziehen will, zurück. In einer hyper-individualistischen,
ultra-kommerzialisierten Kultur wie unserer ist die Mutterschaft weniger ein
fixer Meilenstein des Lebens als einfach nur eine weitere Lifestyle-Entscheidung.
Überall in der ersten Welt
offenbart das gleiche Muster. Russland, Großbritannien, Irland, Australien,
Spanien, Italien und duzende andere Länder kämpfen mit Geburtenraten, die
deutlich unter der Sterberate liegen. Vierzig Prozent der weiblichen Universitätsabsolventen
in Deutschland sind kinderlos. In Japan, wo die Rate auf ein Rekordtief von
1,26 gesunken ist, geben Familiengründungs-Initiativen dem Internet die Schuld;
sie kritisieren, dass Frauen und Männer zu viel Zeit online verschwenden, anstatt
Sex zu haben.
Kinder
wertlos machen: Der Beitrag des Sozialversicherungssystems zur Fertilitätskrise
Heutzutage verstehen viele
Leute gar nicht mehr, warum irgendjemand Kinder kriegt um fürs Alter
vorzusorgen. Natürlich denken sie, dass Leute deshalb Kinder kriegen, weil sie
sie gern haben. Dennoch hören sie oft genug, dass Leute gerne mehr Kinder
hätten, sie sich aber einfach nicht leisten können. Hinzu kommt, dass sich
Menschen in weniger fortschrittlichen Nationen scheinbar problemlos Großfamilien
leisten können, obwohl ihr Einkommen kaum ans Existenzminimum rankommt.
Worauf sind diese scheinbar
widersprüchlichen Beobachten zurückzuführen? Ganz einfach: auf die Tatsache,
dass in der Abwesenheit eines Sozialversicherungssystems der weitere
Familienkreis einen inoffiziellen Sozialversicherungs-Mechanismus darstellt, in
welchem das Kinderkriegen ökonomische Vorteile mit sich bringt.
Natürlich sind
Sozialversicherungen nicht der einzige Grund für den Geburtenrückgang. Beispielsweise
untergräbt der Wohlfahrtsstaat die Familie auch auf viele weitere Arten, wie
etwa durch verpflichtende öffentliche Erziehung, die die Treue zur Familie
durch Gefolgschaft zum Staat ersetzt. Ferner wird durch das Aufkommen weiterer
Altersvorsorge-Alternativen der Vorsorgefaktor des Kinderkriegens geschwächt.
Sehen wir uns die Unstimmigkeiten
zwischen den fortschrittlichen Staaten des Westens näher an. Unter diese
Ländern gibt es kaum Unterschiede bezüglich Kindersterblichkeitsraten,
weiblicher Beteiligung an der Erwerbsbevölkerung und anderen
Standarderklärungen für den Fertilitätsrückgang. Dennoch weisen die Raten auf
deutliche Abweichungen auf — und sie korrelieren mit der Theorie der
Sozialversicherungssysteme. In den
Vereinigten Staaten herrscht eine Geburtenrate von 2.09, während sie in der EU
im Durchschnitt bei 1,47 liegt.
Auch innerhalb Europas, wo
Sozialleistungen gefährlich großzügig ausfallen, gibt es Unterschiede zwischen
den Ländern. Einige der großzügigsten Modelle finden sich in Deutschland,
Frankreich und den mediterranen Ländern — genau wie die niedrigsten
Fertilitätsraten der Region. Es mag überraschend wirken, so eine Situation
gerade in den Ländern vorzufinden, welche einst Familien-orientiert und streng
katholisch waren. Doch ökonomische Anreize formen das Verhalten der Menschen,
und ihr Verhalten formt die Kultur...
Die beste Lösung ist
gleichzeitig die simpelste: Räumt den Staat aus dem Weg.
Tod
durch Säkularismus: Einige statistische Beweise
Unfruchtbarkeit rottet die
säkulare Welt aus, das hat ein Vielzahl an Schriftstellern beobachtet, so auch
Philip Longman, dessen Werk "The Empty Cradle" ich letztes Jahr
rezensiert habe. Für die ehemalige Sowjetunion, wo Generationen lang der
Atheismus herrschte, sagen die Vereinten Nationen einen extremen
Bevölkerungsrückgang bis 2050 voraus, welcher von 22% in der russischen
Föderation bis zu fast 50% in der Ukraine reicht. Das säkulare Westeuropa wird
4-12% seiner Bevölkerung verlieren, während die der frommen Amerikaner
kontinuierlich wachsen wird. Tragt der Säkularismus die Schuld? Die Zahlen
geben dieser Theorie nicht unrecht.
Wie ich früher schon sagte,
kann die Menschheit den Schrecken der Sterblichkeit ohne das Versprechen auf
Unsterblichkeit nicht aufrechterhalten. In der Abwesenheit von Religion
versinkt die menschliche Gesellschaft in einer depressiven Starre. Die
Säkulargesellschaft ist daher ein Oxymoron, da der Tod des Glaubens schnell
genug zu dem Tod Gesellschaft selbst führt.
Warum
Europa sein Aussterben gewählt hat
Demografie ist Schicksal. Seit
Beginn der Geschichtsschreibung haben sich florierende und friedvolle Nationen
nie dafür entschieden von der Erdoberfläche zu verschwinden. Und doch ist es
genau das, was Europäer als ihr Schicksal gewählt haben. Im Jahre 1348 litt
Europa unter dem "Schwarzen Tod", einer Kombination aus der
Beulenpest und vermutlich einer Art Rinderwahn, stellt Ben Wattenberg, ein
Gelehrter des American Enterprise Institute, fest. "Die Pest dezimierte
die geschätzte Bevölkerung Europas um etwa ein Drittel. In den nächsten 50
Jahren wird Europa — in Zeitlupe — diese Pest-Demografie erneut erleben, es
wird etwa ein Fünftel seiner Bevölkerung bis 2050 verlieren und noch weitaus
mehr Lauf der folgenden Jahrzehnte."
Bringt
diese alte Religion zurück
Säkularismus fördert eine
eher kurzfristige und hedonistische Haltung gegenüber dem Leben. Da säkulare
Menschen kaum bis gar keinen Glauben an Gott oder ein Leben nach dem Tod haben,
tendieren sie dazu die "Iss, trink, sei fröhlich, denn morgen sterben wir"-Attitüde
anzunehmen. Natürlich trifft das nicht auf alle von ihnen zu, aber im
Allgemeinen begünstigt der Säkularismus solch ein Verhalten.
Ihr Zeithorizont ist auf ihr
eigenes Leben auf Erden begrenzt. Religiöse Menschen denken hingegen
langfristiger. Ihre Augen sind auf die Ewigkeit gerichtet. In Europa trifft man
viele Kathedralen an, deren Bau mehrere Jahrhunderte in Anspruch nahm.
Beispielsweise dauerte die Fertigstellung des Kölner Doms über 300 Jahre.
Warum starteten die
mittelalterlichen Christen ein Projekt, dessen Vollendung keiner von ihnen
erleben würde? Die Antwort ist simpel: Sie schauten Richtung Jenseits. Ihr
Wunsch war es, Gott zufriedenzustellen und in den Himmel zu kommen. Man sagt,
dass Glaube Berge versetzen kann. Hier wurde wortwörtlich ein Berg aus Steinen
versetzt um die großartigen Kathedralen Europas zu erschaffen.
Aber was ist mit den
säkularen Menschen im nun post-christlichen Europa? Wie sehen die ökonomischen
Konsequenzen für Leute aus, deren Zeitrahmen nur bis ans Ende ihres Leben
reicht?
Erstens wollen sie im
Allgemeinen ihr Leben bis zum Anschlag genießen. Für einige könnte das einen
frühen Ruhestand bedeuten, und damit auch einen Verlust noch-arbeitsfähiger
Erwerbstätiger für die Wirtschaft. Für andere könnte es sich dadurch äußern,
dass sie weniger oder gar keine Kinder zu kriegen, da diese Verantwortung und
eine Belastung ihrer Finanzen bedeuten, welche sie doch viel lieber zu ihrem
eigenen Wohl nutzen. Statistiken aus den USA zeigen, dass regelmäßige
Kirchengänger mehr Kinder haben als Leute, die nur selten eine Kirche betreten.
Es stellt sich also die Frage: Stellen wir Ansprüche an
Individuen und schränken möglicherweise ihre persönliche Freiheit ein, um die
Fortpflanzung anzukurbeln, führen wir neue Anreize ein oder investieren wir
lieber Milliarden in die Entwicklung künstlicher Mutterleibe und beauftragen
eine neue Bevölkerungsindustrie mit der Kindererziehung? Sollten wir vielleicht
zu Verhältnissen und Werten der dritten Welt zurückkehren, um Fertilitätsraten
zu erhöhen?
Das Hauptproblem sind die berufstätigen Frauen. Ich habe
eigentlich nichts dagegen. Im Gegenteil, ich bin total dafür. Die Sache ist
die, dass es viele Frauen gibt, die gerne Kinder hätten aber es ihnen nicht
möglich ist, da diese ihr Einkommen reduzieren würden, ohne den gleichen Effekt
auf die Ausgaben zu haben, was heute zunehmend die Folge von Steuern und
Zinszahlungen ist. Also arbeiten sie weiter und vertrösten sich darauf, auch zu
einem späteren Zeitpunkt noch Kinder kriegen zu können, ohne zu begreifen, dass
die Statistiken für Fruchtbarkeit ab einem Alter von 30 bestenfalls düster
aussehen.
Ich persönlich denke, dass sich der folgende Anreiz als
erfolgreich erweisen würde:
Der Staat investiert in /
kauft / baut eine Anzahl an X
Wohneinheiten (für Familien mit 3 Kindern konzipiert). Alle verheirateten Paare
mit drei Kindern erhalten ein Vorrecht auf eine dieser Wohneinheiten, sobald das
dritte Kind geboren wurde. Sie haben das Recht dort zu leben bis ihr jüngstes
Kind volljährig ist. Im Falle einer Trennung verfällt ihr Wohnrecht und sie
werden gezwungen auszuziehen. Das würde gleichzeitig die Familie stärken und
die Leute ermutigen, mehr als 2 Kinder zu bekommen. Auch der finanzielle Druck,
der auf einer Vollzeit-arbeitstätigen Mutter von 3 Kindern lastet, würde damit
so gut wie aufgehoben werden. Die Wohneinheiten sollten attraktiver als der
Durchschnitt sein und könnten auch gratis Kindergärten im Erdgeschoss
enthalten. Falls nötig können auch weitere Anreize hinzugefügt werden, bis wir
eine durchschnittliche Geburtenrate von 2,1 oder gar 2,5 erreichen. Selbstverständlich
würde ein solches Projekt visionäre Führer voraussetzen, an welchen es im
heutigen Westeuropa stark mangelt.
Die oben genannte Lösung ist nicht perfekt, aber immerhin
eine simple und effektive Methode, die mit großer Wahrscheinlichkeit die
Geburtenrate eines Landes beträchtlich erhöhen und die Familie stärken würde. Allerdings
würde sich eine solche Methode als zu effektiv erweisen und dadurch auch die
heutige Rechtfertigung des Multikulturalismus ("Wir brauchen mehr Muslime
um unsere alternden Bevölkerungen zu ersetzen") aufheben.
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